Selbstorganisation und Pragmatismus

Dies ist der zweite Artikel in der Artikelserie zu den verschiedenen Aspekten von Vereinbarkeit und agilem Arbeiten und ihren Auswirkungen auf eine moderne Unternehmenskultur. Wir zeigen, wie Du diese Prinzipien in Deinem Unternehmen – unabhängig von der Größe – umsetzen kannst, ohne dass die Prozesse und Hierarchien erst aufwendig umstrukturiert werden müssen. Versprochen, Du kannst direkt damit anfangen!

Heute schauen wir uns die Aspekte „Selbstorganisation“ und „Pragmatismus“ näher an:

Der Anspruch, dass Teams sich selbst organisieren, kann Mitarbeitenden sowohl mit Blick auf den eigenen Arbeitskontext als auch mit Blick auf die Organisation ihres Privatlebens sehr entgegen kommen:

Im Arbeitskontext erlaubt ein hoher Grad an Selbststeuerung und Selbstkontrolle den Teams, sich auf die Inhalte zu konzentrieren und positive Schwarmintelligenz entstehen zu lassen. Jedes Teammitglied hat mehr Raum, die eigenen Stärken und auch Interessen einzubringen und damit seine Arbeitsaufgabe so zu gestalten, dass sie oder er sich in bestmöglicher Weise wirken kann.

Das führt zu einer hohen Motivation innerhalb der Teams mit Blick auf die Arbeitsaufgaben, aber interessanterweise auch zu einer anderen gegenseitigen Wahrnehmung der Mitglieder. Jede und jeder kann dann die Stärken der anderen anders und besser schätzen, weil sie sich durch die Selbststeuerung diese mehr als Ergänzung zu ihren eigenen Kompetenzen wahrnehmen. Es kann auch sehr erleichternd sein, dass Aufgaben, die einem selbst nicht so gut liegen, von anderen Teammitgliedern erledigt werden – z.B. die Präsentation der Arbeitsergebnisse, die Formatierung der Exceltabelle usw. Einander begegnen sich die Teammitglieder dann häufig mit mehr Offenheit, weil jede Idee, jeder Gedanke seinen Platz hat und erstmal gehört und auf mögliche Umsetzung geprüft wird.

Die Teammitglieder agieren weniger taktisch und konzentrieren sich darauf, die Aufgaben und Herausforderungen in Gänze anzugehen und dann auch nachhaltig zu lösen –  weniger getrieben von KPI und Quartalszahlen, als es in klassischen Organisationen der Fall ist. Das heißt aber nicht, dass die Teammitglieder sich nicht als verantwortlich für die Ergebnisse ihrer Arbeit betrachten – im Gegenteil, sie nehmen sich dann gegenseitig in die Verantwortung dafür, dass diese auch erreicht werden. Gerade in klassisch geprägten Strukturen wird damit der Führungskraft eines Teams ermöglicht, sich stärker auf operative und strategische Belange zu konzentrieren.

Auf der anderen Seite können Mitglieder in selbstorganisierten Teams aber auch mit Blick auf die Zeitgestaltung notwendige Freiräume für sich selbst und andere Teammitglieder schaffen: Zum Beispiel Organisation von Meetings, Arbeitszeiten, Arbeitsorte, Dienstreisen und Urlaubszeiten Im Extremfalle haben alle Beteiligten Mitspracherecht, müssen dann aber auch dafür sorgen, dass in den Zeiten, in denen sie selbst nicht zur Verfügung stehen, jemand a nderes ansprechbar ist. Jede und jeder im Team fühlt sich dafür verantwortlich.

Wie oft haben wir erlebt, dass Kollegen in den Urlaub gehen und nicht mal ihr Telefon umgestellt geschweige denn eine Abwesenheitsnotiz in ihrem E-Mail-Account haben? Das ist in selbstorganisierten Teams kaum denkbar.

Für Mitarbeitende, die jemanden betreuen (z.B. Kinder oder pflegebedürftige Verwandte) ist dies kein ungewohnter Zustand: Wenn sie selbst nicht da sein können, müssen sie dafür sorgen, dass es jemand tut – und interessanterweise passiert gerade diesen Kollegen nicht, dass sie vergessen, den Outlook-Abwesenheitsagenten einzuschalten oder das Telefon umzustellen.

Hier muss die Führungskraft nur im Zweifel eingreifen und moderieren, falls es Konflikte zwischen einzelnen Teammitgliedern gibt – dies wird aber in den allermeisten Situationen nicht der Fall sein. Und die Mitarbeitenden können es so schaffen, mehr Raum für ihr Privatleben zu gewinnen oder die Arbeitszeit besser an ihr Privatleben anzupassen.

Ein weiterer Aspekt von agilem Arbeiten, der vielen gerade technisch versierten Teammitgliedern gefällt, ist der Pragmatismus: es geht nicht darum, für eine neue Idee oder eine neue technische Funktion direkt das komplette Lastenheft aufzuschreiben- es wird erstmal getestet, ob diese umsetzbar ist . Wenn sich die Idee oder die Funktion als nicht praktikabel oder nicht als nützlich für den Kunden erweist, wird sie wieder verworfen.

Diese Herangehensweise zieht sich i.d.R. auch durch alle weiteren Organisationsbereiche eines agil geprägten Unternehmens: wenn das Reporting zu aufwändig ist und die Leute von der eigentlichen Arbeit abhält, werden weniger zeitraubende Lösungen gesucht. Wenn sich bestimmte Reviews nicht als zielführend und wenig hilfreich für die eigentlichen Arbeitsaufgaben herausstellen, werden diese viel schneller in Frage gestellt und die Abläufe gegebenenfalls angepasst. Das ist Bestandteil des Selbstverständnisses und kein Angriff auf etablierte Strukturen. Für die Mitarbeitenden kann das gerade in privat anspruchsvollen Phasen sehr unterstützend und erleichternd wirken.

Wann hast Du das letzte Mal ein Reporting gemacht, ohne genau zu wissen, warum Du das eigentlich tust? Hast Du schon mal ausprobiert, typische „Führungskraft-Aufgaben“ dem Team zu überlassen? Lass uns gerne an Deinen Erfahrungen teilhaben und schreibe sie uns.

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